Für das im Herbst 2024 erschienene Buch «Naturgestützte Interventionen» konnten wir vom Haus Herbschtzytlos zwei Praxisbeispiele beisteuern, die in unseren Alltag einblicken lassen. Diese beiden Erzählungen veranschaulichen eindrucksvoll den positiven Einfluss der Natur auf das Befinden von Menschen mit neurokognitiven Beeinträchtigungen. Wir geben einen Vorgeschmack auf das Werk und auf unseren Beitrag darin.
Ein Band zwischen Mensch und Natur
Mit dem Buch «Naturgestützte Interventionen» zeigen die Autor:innen Theres Germann-Tillmann, Renée Vroomen-Marell und Bernadette Roos Steiger vielfältige Möglichkeiten auf, wie die Natur zur Förderung körperlicher und psychischer Gesundheit genutzt werden kann. Die Verfasser:innen teilen ihr Wissen zu grünen Therapien, naturnahen Aktivitäten und nachhaltiger Prävention. Unsere Praxisbeispiele bestätigen Theorien und zeigen, wie eine naturverbundene Lebensweise im Haus Herbschtzytlos den Alltag unserer Gäste bereichert.

Frau Meierhans und die Ernte der Lindenblüten
Mit ihren 85 Jahren lebt Frau Meierhans bereits seit einigen Monaten im Haus Herbschtzytlos. Vor ihrer Zeit bei uns führte sie mit ihrem, mittlerweile verstorbenen, Ehemann einen Bauernhof und war es gewohnt, für viele Menschen zu kochen und umfangreiche Hausarbeiten zu erledigen. Dank ihrer Erfahrung und ihres Wissens rund um Pflanzen wurde sie für die Ernte der Blüten des grossen Lindenbaums im Garten beigezogen.
Bild: Die Lindenblüten werden von Hand geerntet.
(Foto: Haus Herbschtzytlos)
Bei der aktiven Einbindung von Frau Meierhans in die Ernte, konnte sie ihre Kenntnisse anwenden. Diese halfen, die Blüten richtig zu ernten und zu trocknen. Zudem konnte die ehemalige Bäuerin die anderen Gäste anleiten und ihnen die Bedeutung der Pflanzen näherbringen. Das Sammeln und Verarbeiten der Lindenblüten liess bei Frau Meierhans Erinnerungen an frühere Zeiten aufleben, was ihr ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und Wertschätzung vermittelte. Besonders berührend war der Moment, als sie über die Tradition sprach, abends mit ihrem Ehemann Lindenblütentee zu trinken, um den Tag gemeinsam ausklingen zu lassen.
Durch die Integration dieser naturverbundenen Tätigkeit in den Alltag konnte Frau Meierhans ihre Fähigkeiten einsetzen und ihr Wissen teilen. Die sinnstiftende Aufgabe der Blütenernte gab ihr nicht nur ein Gefühl von Nutzen und Zugehörigkeit, sondern auch die Möglichkeit, wertvolle Erinnerungen zu reaktivieren und mit anderen zu teilen.
Herr Konrad und der wohltuende Lavendel
Ein weiteres Beispiel aus unserer Praxis ist die Geschichte von Herrn Konrad. Mit seinen 72 Jahren hatte er vor seinem Eintritt ins Haus Herbschtzytlos alleine gelebt und war zunehmend von seiner Demenzerkrankung beeinträchtigt. Herr Konrad war früher eine leitende Person und hatte viel Verantwortung getragen. Bei uns bereitete es ihm immer wieder Schwierigkeiten, die Kontrolle über seine Gefühle und Tätigkeiten zu behalten. Dies äusserte sich oft in Wutausbrüchen und grosser Unruhe.

Bild: Unser üppig bewachsener Garten. (Foto: Haus Herbschtzytlos)
Die Betreuungspersonen erkannten, dass Bewegung und der Aufenthalt im Freien Herrn Konrad halfen, seine innere Unruhe zu mindern. An einem besonders unruhigen Tag führte der gemeinsame Spaziergang von Herrn Konrad und einer Betreuerin durch den Garten zum Lavendel, der gerade in voller Blüte stand. Der Duft des Lavendels und die Beschäftigung mit der Pflanze halfen Herrn Konrad, sich zu entspannen und seine innere Ruhe wiederzufinden.
Gemeinsam ernteten sie den Lavendel, banden Sträusschen und bereiteten frischen Lavendeltee zu. Diese Tätigkeiten boten Herrn Konrad die Möglichkeit, selbständig zu handeln und eine sinnvolle Aufgabe zu erfüllen. Der beruhigende Duft des Lavendels und die handwerkliche Tätigkeit führten zu einer deutlichen Verbesserung seines Wohlbefindens.
Ausblick und Dank
Wir sind glücklich, einen Beitrag zum Buch «Naturgestützte Interventionen» leisten zu dürfen sowie unsere Erfahrungen und Erfolge teilen zu können. Die Geschichten von Frau Meierhans und Herrn Konrad sind nur zwei Beispiele von vielen, die zeigen, wie wertvoll und bereichernd die Integration der Natur in die Betreuung von Menschen mit Demenz sein kann.
Unser Dank gilt den Autor:innen des Buches, die unsere Arbeit wertschätzen und uns die Möglichkeit gegeben haben, Teil dieses wichtigen Werkes zu sein. Wir hoffen, dass unser Mitwirken andere Einrichtungen und Betreuende inspiriert, die Natur in ihre Arbeit zu integrieren und somit das Leben von Menschen mit neurokognitiven Beeinträchtigungen zu bereichern.
Das Buch «Naturgestützte Interventionen» erscheint am 16. November 2024 und kann bereits bei Exlibris und Weltbild vorbestellt werden. Wir freuen uns darauf, dieses Buch in den Händen zu halten und weiterhin einen positiven Beitrag zur Lebensqualität unserer Gäste leisten zu können.