Als innovatives, familiäres Altersheim für Menschen mit Demenz legen wir vom Haus Herbschtzytlos grossen Wert auf die individuelle Betreuung und Förderung unserer Bewohnerinnen und Bewohner. Natur- und tiergestützte Interventionen spielen dabei eine wichtige Rolle. In unserem einzigartigen Konzept verzichten wir bewusst auf künstliche Aktivierungen und beziehen stattdessen die Natur und verschiedene Tierarten ganz selbstverständlich in unseren Alltag mit ein.
Diese Arbeitsweise und die damit verbundenen positiven Erfahrungen haben im Buch «Naturgestützte Interventionen» ihren Platz gefunden. In diesem Interview mit Carol Sarbach, Gründerin des Haus Herbschtzytlos und Sabrina Ziegner, Betriebsleiterin sowie Leitung Betreuung und Pflege geben wir Ihnen Einblicke, wie die natur- und tiergestützten Interventionen bei uns aussehen. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe und die Mitarbeit am genannten Fachbuch.

Interview mit Carol Sarbach und Sabrina Ziegner
Liebe Carol und liebe Sabrina, danke, dass ihr einen Überblick darüber gebt, wie natur- und tiergestützte Interventionen im Haus Herbschtzytlos gestaltet werden.
Welche Tierarten kommen bei euch zum Einsatz und welche Unterschiede gibt es entsprechend bei den Interventionen?
Sabrina:
Wir haben verschiedene Haustiere, die unsere Gäste auf unterschiedliche Art unterstützen können. Dabei sind stets unsere privaten Hunde. Im und um das Haus Herbschtzytlos herum wohnen eine Katze, Hasen und Hühner. Folgende Aktivitäten gestalten wir mit den verschiedenen Tieren:
- Hunde → Spazieren gehen, streicheln, Zuneigung geben, Übungen zur Erziehung oder einfach für Spiel und Spass, Füttern (oft gibt es direkt vom Tisch etwas)
- Katze → Füttern, zum Tierarzt fahren, bürsten, streicheln und kuscheln (sie schläft bei ausgewählten Gästen im Bett)
- Hasen → Misten, Füttern, morgens hinauslassen und abends hereinlassen (kann Kindheitserinnerungen wecken)
- Hühner → Füttern, Stall misten, beobachten beim Picken und Umherlaufen, Eier sammeln (für Eigenbedarf) – Unsere Therapiehühner lassen sich tragen und streicheln. Dies ist für viele Gäste eine ganz neue Erfahrung und zaubert sofort ein Lächeln ins Gesicht.
Wie integriert ihr die naturgestützte Interventionen in euren Alltag? Gibt es Ausflüge ins Grüne oder holt ihr die Natur eher ins Haus?
Sabrina:
Es ist eine Mischung aus beidem. Im Buch «Naturgestützte Interventionen» zeigen wir anhand von zwei wahren Geschichten auf, wie draussen Lindenblüten und Lavendel geerntet und anschliessend im Haus verarbeitet werden. Unser Beitrag zum Buch verrät noch etwas mehr.
Da das Haus Herbschtzytlos ländlich liegt, haben wir gute Verbindungen zu den Bauern in der Nachbarschaft. Wir dürfen ab und zu Bohnen oder Äpfel direkt auf dem Feld ablesen und diese dann für unseren Eigenbedarf nutzen. Das sind nur wenige von vielen Beispielen.
Carol:
Zur Frage, wie wir die Natur in das Haus bringen, fällt mir eine schöne Geschichte ein: Eines kalten Wintertages beschloss eine Mitarbeiterin, etwas Ungewöhnliches zu tun. Anstatt unseren Schneemann draussen im Garten zu lassen, holten wir ihn kurzerhand ins Haus! Mit einem breiten Lächeln und einer Karottennase stand er plötzlich mitten im Wohn- und Esszimmer auf dem runden Tisch. Die Gäste waren begeistert. Natürlich begann er langsam zu schmelzen, aber das brachte uns nur noch mehr zum Lachen. Es war ein unvergesslicher Moment voller Freude und ein bisschen Chaos – unser ganz persönlicher Winterzauber im Wohnzimmer.
Man kann naturgestützte Interventionen bei uns wirklich auf vielfältige Weise in den Alltag integrieren. Ich ergänze weitere Beispiele stichwortartig:
- Gartenarbeit und Kräutergarten
- Spaziergänge in der Natur
- Naturbasierte Entspannungstechniken
- Naturerlebnisse in den Alltag einbauen
- Natur in die Innenräume bringen
- Düfte und Aromatherapie
- Kochen mit Heilkräutern
- Pflanzenbasierte Hautpflege
- Tiere füttern
Wir entwickeln die Ideen laufend weiter. Dabei entstehen immer neue, kreative, abwechslungsreiche Aktivitäten für jede Woche und jede Jahreszeit, die unsere Mitarbeitenden mit den Gästen ausprobieren können.
Habt ihr bei euren Gästen positive Effekte durch den Einsatz von Tieren und den Einbezug der Natur beobachtet?
Sabrina:
Auch dazu zeigen die Geschichten der Lindenblüten und des Lavendels im Buch anschaulich auf, was solche Interventionen bewirken können. In beiden Fällen weckten die Ernten Erinnerungen und die Gäste konnten sowohl ihr Wissen als auch ihre Erfahrungen hervorholen. Dadurch fühlten sie sich gebraucht und kompetent. Gleichzeitig waren sie draussen an der frischen Luft und nahmen die Gerüche der Pflanzen wahr. Schlussendlich beschäftigten sie sich mit einer sinnvollen Tätigkeit und die Freude über die geschaffte Arbeit sowie das gebrauchsfertige Endprodukt war gross.
Wir stellen immer wieder fest, dass der Einbezug der Natur das Wohlbefinden fördert, Stress reduziert, die Stimmung verbessert, den Geist entspannt und Gespräche anregt.
Und oft scheinen die Tiere einen Zugang zu den Menschen mit Demenz zu finden, wenn wir keinen haben. Sie spüren Dinge auf einer Ebene, auf der wir es nicht können. Mit einem Tier zu kuscheln, kann den Menschen so viel geben. Die Versorgung der Tiere gibt Sinnhaftigkeit und der Umgang mit Tieren macht im Allgemeinen Freude und tut einfach gut.

Wie schult ihr das Personal für die Durchführung von natur- und tiergestützten Interventionen im Haus Herbschtzytlos?
Sabrina:
Ein Teil unseres Teams besuchte Schulungen bei einer Naturheilpraktikerin. Dieses Wissen wird intern weitergegeben. Zudem gibt es verschiedene Anleitungen, um naturgestützte Interventionen in den Alltag zu integrieren. Carol und ich gehen auch immer wieder mit gutem Beispiel voran und unterstützen unsere Mitarbeitenden in ihren Ideen.
Welche Rolle spielt die Umgebung und die Natur rund um das Haus Herbschtzytlos in eurem Alltag?
Carol:
Wir haben das Haus Herbschtzytlos bewusst häuslich und natürlich gestaltet. Dies ist uns wichtiger und passt besser zu unserem Konzept als eine therapeutische Umgebung.
Wie reagieren Angehörige auf die natur- und tiergestützten Angebote? Können sie auch davon profitieren?
Carol:
Angehörige können zum Beispiel an naturgestützten Aktivitäten teilnehmen, wie gemeinsames Spazierengehen. Oder wir geben ihnen Empfehlungen ab, wie sie selbst zum Beispiel beruhigende Tees zubereiten können oder die Natur für ihre Selbstfürsorge zu Hause einsetzen.
Gibt es Herausforderungen oder Hürden rund um natur- und tiergestützte Interventionen und wenn ja, welche sind das und wie geht ihr damit um?
Sabrina:
Eine Herausforderung besteht darin, Möglichkeiten im Alltag wahrzunehmen und daran zu denken, diese umzusetzen. Solche Aktivitäten brauchen häufig viel Zeit und diese ist manchmal knapp neben allen anderen Betreuungsaufgaben.
Carol:
Eine weitere schwierige Aufgabe liegt darin, die Sicherheit für die Menschen mit Demenz beim Mithelfen zu gewährleisten und richtig mit pflanzlichen Substanzen umzugehen. Wir müssen sicherstellen, dass die Aktivitäten gefahrlos durchgeführt werden können. Pflanzliche Heilmittel für die Gäste werden ausschliesslich über die Apotheke besorgt. Zum Schutz unserer Haustiere halten wir in einem Konzept fest, wie mit den Tieren richtig umgegangen wird, damit wir ihnen und ihrer Art gerecht werden.
Könnt ihr zum Abschluss etwas über euren Beitrag im Buch «Naturgestützte Interventionen» erzählen und was die Leserinnen und Leser darin erwartet?
Sabrina:
Die Leserinnen und Leser erwarten zwei wirklich schöne Geschichten, die veranschaulichen, wie sich die Natur ganz einfach im Alltag des Haus Herbschtzytlos miteinbinden lässt, ohne künstlich zu sein. Wir zeigen damit, wie wir die Kräfte der Natur im Kleinen nutzen und daraus Kraft, Ruhe und Sinnhaftigkeit schöpfen.
Die im Haus Herbschtzytlos gemachten Erfahrungen zeigen auf, wie der Einbezug von Tieren und der Natur den Alltag von Menschen mit Demenz bereichern kann. Durch das Buch «Naturgestützte Interventionen» wird dieses Wissen geteilt. Angehörige und Pflegende finden darin Inspiration für einen alternativen Umgang mit Demenzbetroffenen. Wir freuen uns sehr, ein Teil davon zu sein.
Das Buch «Naturgestützte Interventionen» kann wie folgt bestellt werden: